„Der Datterich“

Meisterlich in allen Rollen Von Susanne Gross MUNDART-LESUNG
Pfarrer Dieter Frey mit dem "Datterich" im Speicher Dieter Frey genügte ein weißes Käppchen aus Häkelspitze als Requisite. Wenn der gebürtige Darmstädter aus dem Datterich, dem „Kanon der Darmstädterei“, zitiert, läuft er zur Hochform auf. Kaum waren seine einführenden Worte verklungen, schlüpfte er in die unterschiedlichen Rollen des Schauspiels von Ernst Elias Niebergall aus dem Jahr 1841.

Pfr. Frey am 14.08.09 im SPEICHER mit dem „Datterich“

Das Darmstädter Mundartstück handelt von einem chronisch unter Geldnot leidenden ehemaligen Finanzbeamten. Der Datterich biegt sich die Wahrheit so zurecht, wie er sie braucht. Zudem ist er bemüht, den schüchternen Drehergesellen Schmidt mit seiner Nichte zu verkuppeln, um ihn dauerhaft auszunehmen zu können.
Doch unter all der Heiterkeit des Stücks bemerkte man den Ernst der Lage für weite Teile der damaligen Bevölkerung. Denn das Stück macht auf Missstände und Armut in der Gesellschaft aufmerksam. Die Thematik, wie Menschen sich in notvollen Zeiten durchschlagen ist damals wie heute aktuell. Daher war es für den Pfarrer der evangelischen Kirche in Idstein nahe liegend, statt Eintrittsgeldern eine Spende zu Gunsten der Idsteiner Tafel zu erbeten.
Doch Dieter Frey erfüllte sich an diesem Abend auch einen persönlichen Wunsch: „Ich wollte mir und den Besuchern mit der Aktion eine Freude bereiten“; merkte er an. Nichtsdestotrotz schwang ein Stückchen Wehmut mit, denn es handelte sich um eine seiner Abschiedsveranstaltungen, da er in Kürze in vorgezogenen Ruhestand geht.
Frey war von der ersten Minute an die Hingabe für seine Figuren anzumerken. Er meisterte souverän die Aufgabe, ein Vielrollenstück als Solo-Nummer darzustellen. So gelang ihm die hohe Stimme von Babette Dummbach, der Frau des Drehermeisters, ebenso wie die derbe Ausdrucksweise des gewalttätigen Schumachermeisters Bengler. Seine Spielfreude bereitete den Besuchern einen vergnüglichen Abend. Die Lacher des Publikums und die aufmerksam zum Stehpult gerichteten Augen der Besucher sprachen davon, dass Dieter Frey den Geschmack des Publikums getroffen hatte.
Allein durch die Drehung seines Oberkörpers wechselte er zwischen dem Nepper und Nassauer Datterich und dem schüchternen Drehergesellen Schmidt, als er deren erste Begegnung in einer Kneipe nachstellte.
Zum Höhepunkt lief Frey bei der Szene in der Dachkammer des Titelhelden auf. Eingangs versetzte er sich in die Person des Schneidermeisters Steifschächter, der jammernd und auf umständliche Art bemüht ist, das ausstehende Geld vom Datterich einzutreiben. „Bezahle, wenn man Geld hat, dass ist keine Kunst. Bezahle, wenn man kein Geld hat, das ist eine Kunst. Und die muss ich erst noch lerne“, verkündet der Schuldner schließlich. Die Szene mündete in die Konfrontation des Datterichs mit dem aufbrausenden Bengler. Der Schuhmachermeister ist um seiner Grobheit willen gefürchtet. Klugerweise wechselt Dieter Frey als Datterich nun eine Binde gegen seine Nachtmütze und spielt einen im Delirium befindlichen Kranken vor. Damit hofft er den befürchteten Schlägen zu entgehen. Der Schnorrer zetert und stöhnt, jammert und fantasiert. Die List des Titelhelden gelingt und endet in einer großen Schadenfreude.
Echte Freude hingegen erlebte Renate Wildenhain, die Koordinatorin der Tafeln im Untertaunus, an diesem Abend. Sie erinnerte an die über 1000 Personen, die täglich durch die Tafeln versorgt werden: 300 Personen allein in Idstein, ein Drittel davon sind Kinder.
Die Akkordeonklänge von Dieter Lauber begleiteten den Abend. Er spielte zum Auftakt und in den Pausen leichte Klassik sowie Volkslieder

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