„Spiel mit den Gegensätzen

Von: Susanne Gross Eine Bühne, zwei Aufführungen, drei Schauspieler. Das Bockenheimer Theaterensemble gastierte im Idsteiner Kulturforum Speicher mit zwei Stücken des russischen Dramatikers Anton Tschechow. Auf dem Programm standen zwei zwischen 1886 und 1902 entstandene Einakter: Der szenische Monolog „Über die Schädlichkeit des Tabaks“ und die dramatische Etüde „Schwanengesang“.

Die Schauspieler

Martin F. Herndlhofer und Klaus D. Heil hauchten den Figuren Leben ein und führten wechselseitig Regie. So stand Herndlhofer als gedemütigter Ehemann Iwan Iwanowitsch Njuchin vor dem Publikum und Heil schlüpfte in die Rolle des alternden Komödianten Wassili Wassiljewitsch Swietlowidow. Monika Reif unterstützte sie in der Rolle des buckligen Souffleurs Nikita Iwanitsch.
Beide Stücke spielen mit Gegensätzen. Martin F. Herndlhofer pendelt zwischen seinem Dasein als angepasster Ehemann und der Verzweiflung über sein verpfuschtes Leben. Er schwankt zwischen einer unbeholfen wirkenden Seriosität und unkontrollierten Gefühlsausbrüchen.
Klaus D. Heil spielt in der Rolle des Wassili Wassiljewitsch Swietlowidow die Kontraste ebenso glaubhaft aus: Alter und Jugend, private Einsamkeit und ein Leben vor dem Publikum, Schwärmerei und Enttäuschung, de Erinnerung an großen Rollen und sein Ende als Narr.
Abrechnung und Lebensbilanz in zwei Variationen - ernüchternd, resigniert und versöhnlich. Sie thematisieren versteckte Vorwürfe an den Lebenspartner statt Aktion und den ernüchternden Blick auf ein dem beruflichen Erfolg untergeordnetes Leben.
Herndlhofer betritt die Bühne als ein seriös wirkender Mann in schwarzem Gehrock, gestreifter Hose und roter Fliege. Noch während er mitgebrachte Utensilien ausbreitet, liefert sein Monolog erste Hinweise auf die Widersprüchlichkeit des Charakters: Er selbst ist Raucher, doch er hält den Vortrag im Auftrag seiner Frau. Schnell entpuppt sich die umständliche Art des Iwan Iwanowitsch Njuchin als innere Zerrissenheit: Er schweift vom Thema ab, fällt sich selbst immer wieder ins Wort und unterbricht seine Gedankengänge. Nach 33 Ehejahren fällt die Bilanz des gemeinsamen Lebens verheerend aus. Der Gatte und Vater von 7 Töchtern wird von seiner Frau drangsaliert. Dreimal bricht es aus Herndlhofer heraus: „Ach, eigentlich müsste ich sagen, der Teufel soll sie holen. Sie ist eine böse, geizige, hinterhältige Xanthippe. Ich will weg, nur weg, weit, weit weg“. Doch letztendlich resigniert Iwan Iwanowitsch Njuchin und verbleibt in seiner Rolle als gedemütigter Ehemann.
Auch die Lebensbilanz von Klaus D. Heil als Wassili Wassiljewitsch Swietlowidow ist durchzogen von Melancholie. Der alternde Komödiant blickt nach 45 Jahre auf der Bühne auf seinen Lebensweg zurück. Er erinnert sich an seine Anfangszeiten als „junger, schöner. ehrgeiziger Schauspieler“ und blickt nun im Spiegel auf einen abgehalfterten Komödianten. „Es ist Zeit, die Rolle des Leichnams einzustudieren“, lautet sein ungeschminktes Fazit. Sein letztes Publikum findet er in Nikita Iwanitsch, dem Souffleur. Wassili Wassiljewitsch Swietlowidow erinnert sich an seine erste große Liebe, die einen Schauspieler nicht heiraten wollte. Dieses Erlebnis markiert in seiner Erinnerung den beginnenden Abstieg vom großen Charakterschauspieler hin zum simplen Komödianten. „Ein Hanswurst für Müßiggänger bin ich“, wirft er sich und dem Publikum vor.
Während der Souffleur zum Schlafen kommen möchte, schlüpft Wassili Wassiljewitsch Swietlowidow noch einmal in die großen Rollen Rollen seines Lebens. Er stellt Szenen aus Hamlet und Othello nach, zitiert Zeilen aus König Lear. Zwei heimatlose Figuren begegnen sich an diesem Abend und ihnen verbleibt als Trost, dass sie gemeinsam in der Garderobe von Swietlowidow Wodka trinken werden.

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